Heute war Finaltag. Nach elf Tagen im Sattel lag der südlichste Punkt Deutschlands nur noch 31,5 Kilometer entfernt. Früh am Morgen ging es los – das komplette Tour-Gepäck war dabei, clever aufgeteilt: Die Satteltaschen blieben später am Rad, für den Aufstieg hatte ich am Vortag meinen knalligen Hawaii-Rucksack besorgt.
Die Straße von Bach hinauf ins Hochtannberggebiet war kein Geschenk: Zwei Tunnel ohne eigenen Radweg, LKWs und Autos donnerten dicht an mir vorbei. Dazu lange Rampen mit bis zu 7,5 % Steigung. Ich kam nur langsam voran, aber stetig – und war froh über meinen frühen Start. Die Sonne lachte von einem wolkenlosen Himmel: echtes Königswetterfür das große Finale.
Am Ski- und Wanderhotel Jägeralpe oberhalb von Warth war schließlich Schluss mit dem Rad. Ich stellte mein Fahrrad ab, füllte noch schnell die Flaschen am Hotel auf – und dann begann der Aufstieg zu Fuß. Der Weg hinauf zum Haldenwanger Eck war von Anfang an steil. Bald war der Pfad nur noch ein schmaler Bergweg, gegen Ende nicht einmal mehr befestigt. Jeder Schritt forderte Konzentration. Dazu kam die Höhe, die ich mittlerweile deutlich spürte – die Luft dünner, die Beine schwer. Aber der Wille war stärker.
Und dann war es soweit: Nach genau 1.219 Kilometern zeigte mir Komoot emotionslos an – „Du bist am Ziel – bis bald“. Unabhängig davon schossen mir die Tränen in die Augen. Es war geschafft. Ich musste es herausschreien, machte mehrere Luftsprünge, aß einen Apfel, ein paar Nüsse – und saß eine ganze Stunde lang einfach da, stolz wie Bolle, vor dem atemberaubenden Alpenpanorama. Oben stellte ich mir auch die Frage: Wie viele Menschen haben das wohl schon gemacht – von Sylt bis ins Allgäu, einmal ganz Deutschland der Länge nach, bis zum südlichsten Punkt? Die Antwort wusste ich nicht. Aber in diesem Moment fühlte es sich an, als wäre ich der Einzige – allein mit mir, dem Berg und dem Ziel, das ich erreicht hatte.
Der Abstieg zurück zur Jägeralpe führte mich an einer kleinen Erfrischungsstation vorbei: Getränke standen einfach im Bachlauf gekühlt, man nahm sich, was man wollte, und warf das Geld in eine kleine Kasse. Ich gönnte mir ein Bier – herrlich erfrischend. Zurück an der Jägeralpe lag mein Rad plötzlich umgekippt auf dem Boden. Zum Glück stellte sich schnell heraus: nichts beschädigt. Zur Belohnung gab es dort noch einen Eisbecher und Cappuccino, dann konnte die Abfahrt beginnen.
Die GoPro lief, als ich mich talwärts stürzte – endlich nur noch bergab. Ein kleiner Schreckmoment: Mein Schnürsenkel verfing sich kurz in der Kette, aber ich konnte das sofort richten. Dann war es pure Erlösung: über 20 Minuten Abfahrtam Stück bis nach Steeg. Dort wartete der Bus – aber vorher gönnte ich mir noch ein kaltes Getränk in einem Restaurant direkt an der Haltestelle. Die Sonne wärmte, und ich kam mit einem netten Ehepaar aus dem Rheinland ins Gespräch, die fasziniert von meiner Tour waren.
Der Bus brachte mich bis Reutte. Dort allerdings die Überraschung: Der nächste Anschluss nach Füssen erst in über einer Stunde. Und was tut man als Radfahrer? Richtig – wieder in die Pedale treten. Also Lech abwärts, hinein nach Füssen. Nach diesem Tag fühlte sich der Abschnitt zwar nicht mehr locker an, aber schließlich rollte ich in der Altstadt ein.
Die Suche nach meinem Hostel gestaltete sich noch etwas chaotisch, doch am Ende fand ich das my Wolny Hostel, direkt in der Fußgängerzone. Ein tolles Zimmer, super Lage, genau das Richtige nach diesem Tag. Nach der Dusche war mir nach Feiern – also ab ins RIWA. Dort gab’s gute Musik von der Konserve und endlich auch etwas Deftiges: einen Burger mit Süßkartoffelpommes und einem genialen Dip. Danach noch ein kurzer Abstecher in den Bayrish Pub, und schließlich war um 21:30 Uhr Schluss – glücklich, zufrieden, völlig erschöpft. Mein Grinsen war fast breiter als die Straßen der Füssener Altstadt.